„In Australien gehört ein Garten fast zu jeden Haus, doch nur wenige Menschen kommen in ihrem Garten wirklich zur Ruhe. Für die meisten ist er schlichtweg ein zusätzlicher Arbeitsplatz. Deshalb rate ich denjenigen, das Grün um ihr Haus eine gewisse Zeit lang zu hegen und zu pflegen und danach das Gleiche für ihr Herz zu tun. Dafür setzt man sich einfach ruhig in den Garten und erfreut sich an den Gaben der Natur.
Der erste Idiot hält das für einen tollen Vorschlag. Er beschließt, zunächst die paar kleinen Arbeiten zu erledigen und sich danach ein paar friedliche Momente im Garten zu gönnen. Der Rasen muss schließlich gemäht, das Laub gefegt, die Hecke gestutzt und der Pfad von Unkraut befreit werden. Außerdem brauchen die Pflanzen Wasser. Um nur einen Bruchteil all dieser „kleinen Arbeiten“ zu erledigen muss dieser Idiot seine ganze Freizeit aufbrauchen. Da es immer eine Menge zu tun gibt, findet er nie einen Augenblick der Ruhe.
Der zweite Idiot hält sich für viel klüger als der erste. Er räumt das Gartengerät weg und setzt sich mit einer Zeitschrift in den Garten. Vielleicht sieht er sich eine Hochglanzillustrierte mit wunderschönen Landschaftsaufnahmen an. Wer das tut kommt in seinem Garten nicht zur Ruhe, sondern lässt sich von einer Zeitschrift ablenken.
Der dritte Idiot räumt ebenfalls Harken, Eimer und Bewässerungsschlauch weg, setzt sich hin und lässt den Frieden seines Gartens auf sich wirken – ungefähr zwei Sekunden lang. Dabei fällt ihm alles Mögliche auf: „Der Rasen muss gemäht werden. Die Büsche wuchern zu sehr aus. Und wenn ich den Blumen dahinten kein Wasser gebe, werden sie in ein paar Tagen verwelkt sein. Da drüben würde sich übrigens eine hübsche Gardenie gut machen. Genau, und davor vielleicht so ein niedliches Vogelbad. Das könnte ich mir nachher gleich aus dem Gartencenter holen…“ Hier wird nachgedacht und geplant. In diesem Garten wird kein Seelenfrieden gefunden.
Der kluge Gärtner geht anders vor. Er denkt: “Ich habe lange genug gearbeitet und jetzt möchte ich die Früchte meiner Arbeit genießen und auf die Stille achten. Klar, der Rasen sollte gemäht, die Blätter zusammengeharkt und dies und das auch noch getan werden, bla, bla, bla. ABER NICHT JETZT.“ Nur so gelangen wir die Weisheit unseren Garten auch dann zu genießen, wenn er nicht perfekt ist.
Vielleicht versteckt sich hinter einem Busch ein alter japanischer Mönch, der nur darauf wartet, hervorzuspringen und uns mitzuteilen, dass unser unordentlicher Garten in Wirklichkeit perfekt ist. Wenn wir uns nämlich über die Arbeit freuen, die wir bereits erledigt haben und unser Augenmerk nicht auf diejenige richten, die noch vor uns liegt, begreifen wir vielleicht, dass Getanes wirklich fertig ist. Wenn wir uns aber ausschließlich auf mangelhaftes konzentrieren, auf die Dinge, die repariert werden sollten, werden wir nie zur Ruhe kommen.
Der intelligente Gärtner genießt eine Viertelstunde der Ruhe inmitten der PERFEKTEN UNVOLLKOMMENHEIT der Natur. Er grübelt und plant nicht, er fühlt sich auch nicht schuldig. Jeder von uns verdient Pausen und Ruhe, und andere verdienen es übrigens auch, gelegentlich von uns in Ruhe gelassen zu werden. Nach diesen wichtigen fünfzehn Minuten Pause nehmen wir die Gartenarbeit wieder auf.
Wenn wir es schaffen, in unserem Garten auf solche Weise zur Ruhe zu kommen, werden wir überall und jederzeit Ruhe finden. Dann wird es uns auch gelingen, Ruhe im Garten unseres Herzens einkehren zu lassen, selbst wenn wir manchmal überlegen, dass dort große Unordnung herrscht und noch viel zu tun übrig bleibt.“
Foto: Pixabay
Text: Ajahn Brahm: Die Kuh, die weinte. Buddhistische Geschichten über den Weg zum Glück. Lotos Verlag München.
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